Das Foto zum Wochenende und seine Geschichte

Kirschkuchen… Die Perspektiven haben sich verschoben. Der Blick auf die Ruhr ist nicht mehr so überwältigend und der Biergarten ist auch nicht so riesig, wie ich ihn in Erinnerung behalten habe. Ist ja auch alles lange her. Ich war damals wohl nicht viel größer als einen Meter zwanzig und mit meinen sieben oder acht Jahren kannte ich noch wenig von der Welt. Deshalb war auch der Urlaub, den wir in diesem Sommer gemacht hatten, so besonders…

 

Alles war damals besonders. Obwohl der Ort nur wenige Kilometer von meinem Elternhaus entfernt war. Aber es war ein Einfamilienhaus über drei Etagen (wenn man den Keller mitzählt) und keine kleine Wohnung. Zum Haus gehörte ein Garten und ein geheimnisvoller Weg führte in einen dunklen verwunschenen Wald. Hier war für vier Wochen unser Zuhause. Ein Arbeitskollege meines Vaters hat uns sein Heim überlassen, angeblich damit wir uns um Minus, den Kater kümmern könnten. Ich vermute aber, dieser Mann wollte einer sechsköpfigen Familie einfach mal einen Gefallen tun (»Damit die Kinder mal rauskommen«).

Ich habe nur die allerbesten Erinnerungen an die Zeit. Meine ersten kläglichen Schwimmversuche, der erste Biss einer Ameise und die tröstenden Worte der Mutter, die sich aber wohl ein Lächeln nicht verkneifen konnte. Einen ganzen Haufen Märchenplatten und der Schock als Paulinchen, die alleine Zuhause war, verbrannte. Die Kirche gleich gegenüber und die freundliche Küsterin, eine kleinwüchsige Frau, die die Länge eines siebenjährigen kleinen Jungen niemals erreicht hatte. Und dann sonntags die kleinen Spaziergänge, immer einmal entlang des Fünfkirchenblick, weil meine Mutter doch immer nur vier Kirchen erblickte und verzweifelt Ausschau hielt nach der fünften. Später dann weiter zum Appelhannes. Bei guten Wetter saßen wir draußen und die Kinder aßen Kirschkuchen. Um ihn gab es nämlich ein kleines Geheimnis. Wenn du im Kuchen ein Kirschstein gefunden hattest, bekamst du ein ganzes Stück obendrauf. Ein ganzes Stück! Dieses Glück hatte ich nie.

Neulich war ich wieder am Appelhannes. Auf dem kleinen Schild an der verschlossenen Eingangstür stand: Bei Regen geschlossen ansonsten sonntags ab 4 Uhr geöffnet. Es war noch keine vier und obendrein regnete es. Nur leicht, aber immerhin, ich konnte nicht auf Kaffee und Kuchen hoffen.

Sollte ich einmal zum Inhaber gehen und ihm den Marketingtrick aus früheren Tagen verraten? Vielleicht stehn die Menschen dann auch wieder Schlange und alle Kinder essen Kirschkuchen. Das wäre doch was. Das würde ich ihm wünschen. Und mir.