Das Foto zum Wochenende und seine Geschichte

Allgemeinbildung… Es ist viele Jahre her und geschah wenige Tage vor Weihnachten. Mein Freund Gereon Buchholz, Redakteur der Werdener Nachrichten, bat mich, für ihn einen kleinen Fototermin zu übernehmen, da ich der einzige sei, der mit seiner Minolta klar käme. Um 16.00 Uhr, so briefte er mich, käme zur Ludgerus-Basilika der frisch ernannte Bischof Luthe, um eine kleine Führung durch die Kirche zu erhalten. Meine Aufgabe war, lediglich ein paar Fotos zu schießen und Herrn Luthe ins rechte Licht zu rücken…

Ich machte mich rasch auf den Weg, hatte ich doch kaum noch Zeit. An der Kirche standen bereits einige Werdener Honoratioren Spalier. Der Propst, ein Mitglied des Pfarrgemeinderates, eines der Ludgerusbruderschaft, ich reihte mich ein. Wenige Minuten später fuhr eine große dunkle Limousine vor. Drei Männer stiegen aus. Aber wer war der Bischof? Der Fahrer wohl kaum, also blieb nur ein älterer weißhaariger Herr und sein Begleiter, ebenfalls ein Geistlicher. Der Weißhaarige kam mir bekannt vor, also hielt ich mit der Minolta drauf. Klick. Klick. Händeschütteln, bevor es in die große dunkle Basilika ging. Ich hatte den alten Herrn immer im Sucher, schoss ein Foto nach dem anderen. Klick. Klick. Bis der Blitz vermeintlich versagte…

Vorsichtig ging ich zu dem zweiten Geistlichen, stellte mich als Lehrling der Werdener Nachrichten vor und fragte flüsternd: »Hat’s geblitzt?« Der Mann legte seine rechte Hand auf meine linke Schulter und schaute mir tief in die Augen. Dann sagte er, nicht ohne Milde in der Stimme: »Es blitzt immer, mein Sohn!«

Na dann, dachte ich, ist ja gut. Leise bewegte ich mich Richtung Kirchenportal. Am Opferstock stand ein behinderter Mann und nestelte an seinem Portmonnaie. Er zückte einige Geldscheine, drei davon fielen ihm auf die Erde, ohne dass er es bemerkt hätte. Ich bückte mich und hob drei 1.000-Mark-Scheine auf. Einen kurzen Moment lang hatte ich den Impuls, einfach schnell die Kirche zu verlassen. Ich tat es selbstverständlich nicht und zupfte dem alten Mann am Ärmel.

»Sie haben da was verloren« , sagte ich zu ihm und gab ihm die Scheine zurück. Statt eines »Dankeschöns« nahm er das Geld wortlos und schob es mit noch zwei weiteren Scheinen in den Schlitz des Opferstocks. 5,000 Mark, dachte ich und ging nachdenklich hinaus.

Zwei Tage später erschien eine kurze Nachricht mit meinem Foto in den Werdener Nachrichten. Ich las und staunte nicht schlecht ob meiner schlechten Allgemeinbildung: Der Mann, den ich für Bischof Luthe hielt ist heute Papst Benedikt XVI, war damals aber bereits lange Kardinal. Die Person, die ich nach dem Blitz gefragt hatte und die mich vielleicht mit ihrer Antwort dazu ermahnt hatte, doch etwas aufmerksamer durchs Leben zu gehen, war Bischof Luthe. Den Mann am Opferstock hatte ich danach nie wieder gesehen.