Mein Dezember, Teil 19

Kalorien

Die Kollegin platzt in meine Überlegungen, was zu Schreiben sei an diesem 19. Dezember. Gerade saßen wir zusammen und warfen Ideen in einen Pool: eine Tannenbaumgeschichte (aber hatten wir nicht gestern erst eine)? Eine Weihnachtsfeierstory (am besten die, bei der der Kollege nachts am Klinikum in einen Tannenbaum gefallen ist und höflich gegrüßt hat)? Die Geschichte eines Leberhakens (Sambuca gemixt mit Jägermeister) nach einer Weihnachtsfeier? Genau in dieser Sekunde kommt Kollegin Schwamborn in die kleine Küche über der Buchhandlung und bringt warmen Mohnkuchen von der Nachbarin – damit wir nicht vom Fleische fallen.

Wissen Sie eigentlich, wie viel Kilo ich zugenommen habe, in den letzten Wochen? Und hat irgendjemand eine Ahnung, wie ich das Zeug wieder los werde?
Angefangen in dieser Saison hat es mit einer Marzipantorte aus Düsseldorf, viele tausend Kalorien schwer, die eine Kundin uns geschickt hat, weil wir sie immer so gut mit Literaturtipps versorgen. Diese Torte erreichte uns am Weihnachtsmarktwochenende, an dem sowieso die ganze Stadt nach Glühwein, Holzfällersteak, Reibeplätzchen, Waffeln und Crêpes roch. Dass drei meine Mitarbeiter im Dezember Geburtstag haben, erwähnte ich an anderer Stelle, dass sie alle leckeren Kuchen mitgebracht hatten, auch.
Die Kundin mit dem Mohnkuchen ist nicht die einzige, die uns verwöhnt: Berliner Brot bekommen wir, Spritzgebäck, Lebkuchen und gerade mache ich ein Paket auf von einer lieben Kollegin aus Nippes. Sie bedankt sich für die gute Zusammenarbeit in den letzten Monaten. Womit sie das macht? Mit Schokolade, allerallerbester Schokolade. Da muss man – Kalorien hin oder her – einfach zubeißen. Und wenn ich ehrlich bin: in dieser Zeit halte ich meinen Adrenalinspiegel tagsüber mit einer Kanne Kaffee künstlich hoch und kompensiere das abends mit einer Flasche Wein. Den Kaffee trinke ich schwarz, das ist kalorienneutral. Aber Wein? Sind das nicht so round about 700 Kalorien zusätzlich. Kriegt man ja alles mit Bewegung wieder weg. Aber außer Augen auf-Augen zu – Augen auf am Morgen habe ich im Moment wenig Bewegung (rein sportlich betrachtet).
Ich werde das Problem in die Zange nehmen. 1. Alkoholzufuhr drosseln. 2. Schocktherapie (beispielsweise durch den gewagten Blick morgens in den Spiegel. Jetzt weiß ich endlich, wie Pupillen sich erweitern, wenn sie sich erschrecken!). 3. Der erste Schritt ist, wenn man mit anderen darüber redet! Dann wird man sich nämlich des Problems bewusst und vielleicht gibt es Trost oder aber man findet Gleichgesinnte und schon ist alles halb so schlimm?
Und ab morgen – großes Ehrenwort – wird alles anders! Oder nächste Woche? Oder nächstes Jahr?
ts