Mein Dezember, Teil 7

HoHoHo

Die Bitte wurde scheibchenweise vorgetragen.

Ob ich wisse, welche Zeit wir gerade haben, wurde ich vor gut zehn Tagen von einer Freundin gefragt.
Klar, Winter, habe ich geantwortet.

Geht’s genauer? setzte sie nach.

Klar, Dezember, habe ich geantwortet.

Noch genauer?

Klar, wir haben bald Weihnachten, habe ich geantwortet.

Aber vorher?

Irgendwann reichte mir dieses Versteckspiel.
Liebe Julia, spuck’s aus, was willst du von mir?

 

 

 

Ich habe Tim versprochen, dass dieses Jahr der Nikolaus kommt und – wie soll ich es sagen – ich habe keinen Nikolaus.

Oh Gott, muss ich nicht nur gedacht sondern auch leise gemurmelt haben. Mich zum Affen machen?

Natürlich musst du nicht, Tim wird das verstehen. Der arme Junge muss schon so viel verstehen in seinem kleinen Leben, das wird dann auch noch begreifen. Aber traurig wäre er schon.

Da hatte sie mich. Einen kleinen Jungen traurig machen? Nein, das ginge selbstverständlich nicht. Ich willigte ein.

Der Ton änderte sich rasch. Von wunderbar bis ich wusste es und ich habe schon ein Nikolauskostüm bei Amazon bestellt, Größe 56 müsste dir doch passen.

AMAZON? GRÖSSE 56?

Ja klar, ich denke die Größe brauchst du. One Size Fits All! Aber wenn du nicht willst, wir können das auch lassen. Dann müsste ich das nur auch den anderen Kindern erklären.

ANDERE KINDER!

Klar, aber nicht viele, insgesamt sind es sechs. Sind alles beste Freunde von Tim.

SECHS KINDER UND WO SIND DIE ELTERN?

Die sind natürlich auch da. Es wird ein bisschen eng in meinem Wohnzimmer, aber für den Nikolaus ist alle male Platz. Sie zwinkerte wie einem Verbündeten zu.

Das alles ist wie gesagt zehn Tage her und gestern musste ich ran, ob ich wollte oder nicht. Ich packte den Anzug aus. Billigster Filz. Die Hose passte, die Jacke nicht. Sie spannte. Der Gürtel riss sofort. Ein Bart, als wäre ich einer von ZZTop, die weißen Augenbrauen klebten als wären sie an die Stirn getackert und die Mütze – wie von einem der sieben Zwerge.
Ich kramte mein großes rotes Buch heraus, in dem ich die Informationen, die ich in der Zwischenzeit von den übrigen Eltern erhalten hatte, versteckt hielt.

Malte ist lieb, sagt aber manchmal Wörter die keiner hören möchte.
Lena kann schon richtig schwimmen, bringt aber trotzdem den Schwimmlehrer zur Verzweiflung.
Tom ist manchmal zu faul zu laufen. Und hören kann er auch schlecht.
Dennis hat jetzt viele Freunde. Das war nicht immer so.

Ich überlegte kurz ob ich im gernhardtschen Sinne die Falle zuschnappen lassen und den Spieß umdrehen sollte. Ließ es dann aber bleiben. Sollte der Nikolaus eben an diesem Abend die Erziehungsarbeit der Eltern übernehmen.

Gut getarnt eilte ich um halb sechs zu meinem Auto.

Ach guten Abend Herr Schmitz, grüßte die Nachbarin freundlich.

An der roten Ampel schauten zwei hübsche junge Frauen in den Wagen. Ich konnte ihr Lachen nicht hören aber durchaus sehen, so heftig wie sie sich schüttelten. Am Zielort angekommen, wartete ich bis die Luft rein war und spurtete zur Haustür. Durch die Gegensprechanlage hindurch erkannte ich, dass man dringlichst auf den Nikolaus wartete. Aus dem Innern der Wohnung vernahm ich lauten vorweihnachtlichen Gesang. Als ich die gute Stube betrat wurde es augenblicklich still. Nur einige Fotoapparate klickten und in der Ecke stand der Opa mit der Videokamera.
Ich spielte so gut es ging, verteilte vorbereitete Kleinigkeiten, freute mich über glänzende Kinderaugen, lehnte den angebotenen Glühwein mit dem Hinweis ab, ich sei ja schließlich im Dienst. Er hätte auch meinen mühsam zurechtgerückten Bart ruiniert.
Einzig Dennis, der Älteste unter ihnen, bereits ein Schulkind, stellte sich immer so unauffällig wie möglich hinter mich. Er musste den falschen Bart erkannt haben und grinste mich frech an, als er sein Geschenk in Empfang nahm. Immerhin hielt er dicht.

Spät am Abend, ich saß lange vor dem Fernseher und trank ein Glas Wein zur Belohnung und ein zweites für den Mut, den ich aufgebracht hatte und ein drittes, weil doch heute Nikolaus ist, da klingelte mein Telefon.
Julia bedankte sich herzlich:
Großartig, Wirklich großartig. Das fand übrigens auch Tim. Es war das letzte, was er mir erzählte, bevor ein einschlief. Das hat der Thomas wirklich gut gemacht. Der war er doch. Oder?
ts