Mein Dezember, Teil 23

Erzgebirgler

Die Kleinen haben mir eine große Freude gemacht in diesem Advent. Dabei hatte ich Erzgebirgsfiguren noch nie wirklich beachtet. Erst die schöne Weihnachtsgeschichte von Arnd Brummer, die wir in den letzten Tagen sage und schreibe zweieinhalbtausend Mal (alle in Weihnachtspapier eingepackt von Julia und wer sonst noch so eben Zeit hatte! DANKE!) an Freunde und Kunden verschenkt haben, brachte mir das himmlische Orchester etwas näher.

Es führte dazu, dass auf den Straßen in unserem Ort wieder mehr geredet wurde. Und wenn in diesen Tagen in Werden von Geflügeltem die Rede war – nicht immer war zwingend die Vorfreude auf den Heiligabend-Gänsebraten gemeint. Im Haushaltswarengeschäft an der Hauptstraße machte man in diesem Jahr mit Erzgebirgsfiguren verstärkt Umsatz und vielleicht wird immer noch gerätselt, warum das so ist. Man stellte mir persönlich viele Orchestermitglieder vor, darunter ein Hornist aus dem Jahre 1952. Die rührendste Geschichte erfuhr ich allerdings von einer lieben Kundin, die mich vor meinem Laden abpasste und mir gestand, dass sie schon die ganze Woche lang tagein tagaus Bücher kaufen würde, immer in der Hoffnung wir schenkten ihr unsere kleine Geschichte jedes Mal erneut. Aber das ginge doch auch einfacher, hatte ich ihr gesagt und dann wollte ich doch wissen, was so besonderes sei, an You’ll Never Walk Alone?
Mein Vater, erzählte sie mir, war Kriegsversehrter mit nur noch einem Arm. Ich war noch ein junges Mädchen als er im Winter 1973 starb. Da können Sie sich sicherlich vorstellen, wie das erste Weihnachtsfest ohne ihn ausgesehen hat. Wenn wir etwas nicht waren, dann in Weihnachtsstimmung. Irgendwann war ich es dann Leid und holte wenigstens das Erzgebirgsorchester, das der Vater immer so sehr geliebt hatte, aus dem Keller, kramte es aus der Kiste und baute es auf. Die Familie sah gespannt zu. Und ob Sie es mir glauben oder nicht, als ich die letzte Figur, den Dirigenten aufs Podest stellte, fiel ihm der linke Arm ab… Irgendwie betrachteten wir das als ein Zeichen des Himmels und nachdem sich unser langes lautes Lachen gelegt hatte, war Weihnachten gerettet.
Und da ich doch Thomas heiße – der Ungläubige – wurde ich in ein adventlich geschmücktes Haus eingeladen und durfte den Versehrten fotografieren. Tatsächlich: Er steht auch nach fast vierzig Jahren einer vielköpfigen Weihnachtskapelle vor und sorgt für den richtigen Takt. Ich füge das Beweisfoto an.
ts