Mein Dezember, Teil 26

Sarah

Ein Bär ist wohl ein Garant für Kindheitserinnerungen, aber er ist sicherlich nicht der einzige.
Da wird mir im Nachgang an meine kleine Verbeugung vor einem ganz besonderen Freund doch folgende Geschichte erzählt. Auch diese ist mindestens vierzig Jahre alt und in den Hauptrollen befinden sich eine Mutter, die Puppe Sarah und ein vielleicht fünfjähriges Mädchen, dass noch kein K sprechen kann. Das war aber offensichtlich nicht alles, was das Kleine noch nicht konnte. Ein gewisses Maß an Fürsorge – zum Beispiel für ihre Puppe Sarah – fehlte zu diesem Zeitpunkt noch völlig. Oft genug blieb die kleine blonde Puppe nach dem Spielen im Hof liegen, egal ob es nun regnete oder nicht.


„Wenn du dich nicht um deine Puppe kümmerst“, muss die Mutter zum wiederholten Male gesagt haben, „geht sie eines Tages weg.“ Und tatsächlich, kurze Zeit später verschwand Sarah auf Nimmerwiedersehen. Die Mutter hatte sie schlicht auf die nahe Müllkippe geworfen.
Wochen später, die Zeit hatte den Vorfall überdauert, das Weihnachtsfest nahte und das kleine Mädchen wurde nach einem Wunsch gefragt.
„Ich wünsche mir vom Tristtindchen meine Sarah zurütt.“, war wohl der einzige geäußerte Wunsch.
Und so machte sich wohl die von Gewissensbissen geplagte Mutter spätabends auf, um den Müllplatz nach der Puppe abzusuchen. Stunden später wurde sie fündig. Sarah hatte wohl gelitten in den Wochen, aber eine Plastiktüte hatte Schlimmeres verhindert. Die Puppe konnte auf jeden Fall gerettet werden. Ein paar chirurgische und kosmetische Eingriffe waren wohl nötig, auch ein Desinfektionsbad, dann lag Sarah unterm Baum. Nach eigenem Bekunden, war es eines der schönsten Weihnachten, das das Kind je erlebt hatte.
Wenn jetzt noch endlich ein Prinz käme, der die kleine wache Prinzessin endlich küsst und heiratet, wäre doch alles wie in einem Märchen.
ts